Im altdeutschen Kalender wird der Monat Februar als „Hornung“ bezeichnet. Neben anderen Erklärungsversuchen, wird dieser Name vornehmlich auf das Abwerfen der Geweihe beim Rothirsch zurückgeführt. Und tatsächlich beginnen die älteren Rothirsche im Februar abzuwerfen – (frühere) Ausnahmen bestätigen die Regel.
Wie der gesamte Geweihzyklus wird auch das Abwerfen über Hormone gesteuert. Im Fokus steht dabei das männliche Geschlechtshormon Testosteron. Mit der nachlassenden Wirkung des Testosterons wird das Abwerfen bereits unmittelbar nach der Brunft quasi vorbereitet. Im oberen Bereich der Rosenstöcke, dicht unter den Rosen beginnen knochenfressende Zellen, sogenannte Osteoklasten, ihre Arbeit – radial von außen nach innen. Schon zu diesem Zeitpunkt deutet sich die später als „Demarkationslinie“ bezeichnete Trennzone als feine Rille an. Die Stangen sind jetzt aber im Inneren noch bombenfest mit den Rosenstöcken verbunden.
Die Zeit bis zum tatsächlichen Abwerfen wird als Vorabwurfperiode bezeichnet, die sich weitgehend altersabhängig über den Februar und März, bei sehr jungen Hirschen, vor allem den Schmalspießern bis April oder gar Mai hinzieht. Während dieser Zeit wird die knöcherne Verbindung zwischen Rosenstöcken und Geweihstangen durch die Osteoklasten, wenn auch sehr langsam, weiter gelöst.
Bis kurz vor dem Abwerfen sind die Stangen allerdings noch immer erstaunlich fest mit den Rosenstöcken verbunden. Erst durch einen ebenso kurzen wie massiven „Angriff“ der Knochenfresser wird letztlich das Abwerfen durch den raschen Abbau kompakter Knochensubstanz bewirkt.
Im Normalfall fallen beide Geweihstangen innerhalb weniger Stunden nacheinander ab. In seltenen Fällen können aber auch ein bis zwei Tage dazwischen liegen. Mitunter tragen z. B. Erschütterungen durch Sprünge, tief sitzende Äste oder vergleichbare „Hindernisse“ dazu bei. Je nach Geweihmasse zeigen die Hirsche nach dem Abfallen der ersten Stange offensichtliche Gleichgewichtsprobleme, drehen sich und halten Haupt und Träger zunächst schief.
Schon kurz nach dem Abwerfen und der Regeneration der Rosenstockoberflächen beginnt die Bildung des Folgegeweihes mit dem relativ langsamen Überwallen der Abwurfflächen. Nach etwa zwei Wochen ist dann ein von samtigem Bast umgebenes „halbkugeliges“ Gebilde auf den Rosenstöcken erkennbar. Die größten Wachstumsschübe bei den Bastgeweihen der Rothirsche erfolgen dann in der 6. bis 12. Woche nach dem Abwerfen.
Wer also in den kommenden Wochen offenen Auges in den Rotwildrevieren unterwegs ist, wird mit etwas Glück oder einem guten Hund vielleicht die eine oder andere Abwurfstange finden. Doch Vorsicht! Das Aneignen der Geweihstangen ist laut Bundesjagdgesetz den Jagdausübungsberechtigten vorbehalten. Wer darüber hinaus ohne ihre (wenn auch nur mündliche) Genehmigung Abwurfstangen sammelt, begeht Wilderei (StGB).
Eine Regelung, die sich mir auch nach gut 40 Jagdjahren noch immer nicht erschlossen hat. Es sei denn, sie trägt dazu bei, dass nicht noch mehr Unruhe in die Kerneinstände des störungsempfindlichen Rotwildes getragen wird. Davon abgesehen sollten wir den stolzen Findern, vor allem Kindern ihre Freude nicht nehmen. Öffentlichkeitsarbeit im besten Sinne … Munter bleiben! AD