Am 1. August beginnt sie wieder, die Jagdzeit auf den Rothirsch. Wie eh und je seit Inkrafttreten des Bundesjagdgesetzes anno 1953. Heute allerdings beginnt sie bei genauer Betrachtung bereits am 1. April, auch in Niedersachsen, wenn auch „nur“ für die Schmalspießer. Und wenn auch „nur“ bis zum 15. Mai. Gleiches gilt für die Schmaltiere. Genauso ist es beim Damwild und auch beim Rehwild. Bei den Rehböcken heißt es allerdings durchgehend vom 1.4. bis zum 31.1. Feuer frei!
Warum? Nun ja, spätestens nach den verheerenden Borkenkäfer-Kalamitäten der zurückliegenden Jahre – verstärkt durch die immer spürbarer werdenden Folgen des Klimwawandels, samt Dürreperioden, Wassermangel, Stürmen inkl. Windwurf, Schnee- und Eisbruch – ist das Thema unser aller medialer Begleiter: der Waldumbau! Dabei geht es im Kern um die Umwandlung von Nadelholz-Reinbeständen hin zu klimaresilienten Mischbeständen. Denn standortgemäße Laub- und Mischwälder haben bekanntermaßen eine höhere Widerstandfähigkeit gegenüber Extremwetterereignissen und Schädlingen. Das hatten sie aber schon immer! Und mit den Kalamitäten einher geht ein fast europaweites, erhöhtes Rohholzaufkommen. Was folgerichtig zu sinkenden Holzpreisen führt, die wiederum die finanziellen Möglichkeiten, vor allem der privaten Waldbesitzer, um die Aufarbeitung der Schäden sowie den Waldumbau voranzutreiben, stark einschränkt. Und der so oft zitierte Waldumbau kann selbstverständlich nur mit deutlich reduzierten Populationen der heimischen Wildwiederkäuer gelingen. Jedenfalls nach Meinung der politischen Entscheidungsträger…
Stellt sich die Frage, wie es zu derart katastrophalen Schäden und kalamitätsanfälligen Wäldern überhaupt kommen konnte. Durch überhöhte Schalenwildbestände? Wohl kaum! Eher schon durch eine jahrzehntelange, waldbauliche Misswirtschaft und das Anpflanzen von Nadelhölzern, vor allem Fichten in Reinkultur. Denn mit diesen „Holzwirtschaftsgestängen“ – solche Bestände haben mit Wald im weiteren Sinne eher wenig gemeinsam – ließ sich schnelles Geld verdienen. Während Letzteres aber in die Schatullen der Waldbesitzer wanderte, wird der plötzlich so dringend notwendige Waldumbau zur Gemeinschaftsaufgabe. Und jetzt soll es neben dem Steuerzahler eben wiedermal das Schalenwild ausbaden. Die negativen Folgen eines permanent hohen Jagddrucks für Wild und Wald(!) werden dabei geflissentlich vernachlässigt.
Dass es einer derart langen Schusszeit vor dem Hintergrund eines der jeweiligen Lebensräume angepassten Wildmanagements nicht bedarf, zeigen die Jagdzeiten aus anderen europäischen Ländern. So umfasst die Jagdzeit (auf sämtliches Rotwild!) zum Beispiel in den allermeisten Kantonen der Schweiz ein Zeitsegment vom 1. bis 20. September sowie vom 10. Oktober bis zum 15. November, bei eventuell notwendigen „Sonderjagden“ maximal bis zum 30. November. Man spart dort z. B. die Hauptbrunft bewusst aus. Und es funktioniert! In Österreich enden die Jagdzeiten der Wildwiederkäuer samt und sonders spätestens am 31. Dezember, in Luxemburg bereits am 19. Dezember.
Andere Länder, andere Sitten, andere Jagdsysteme und -kulturen, andere Lebensräume – alles gut, schon klar! Doch bedarf es zu einer wild- und lebensraum- bzw. waldverträglicheren Jagd nicht unbedingt einer Änderung der gültigen Jagdzeiten seitens des Gesetzgebers. Eine den jeweiligen Bedingungen und Strukturen vor Ort angepasste und strikt umgesetzte Intervalljagd zum Beispiel, zeigt schon nach relativ kurzer Zeit erstaunliche Ergebnisse. Es würde also schon ausreichen, wenn wir uns freiwillig auf „etwas mehr Schweiz“ in unseren Revieren und Hochwildringen einigen könnten. Es lohnt sich, darüber nachzudenken! Im Sinne des Wildes und des Waldes. Oder glaubt ernsthaft irgendjemand, dass z. B. unser Rotwild „Bock darauf hat“, die Rinde von jungen Nadelbäumen in eintönigen, ökologisch fast toten Beständen zu schälen, anstatt frische Grünäsung aufzunehmen? Allein: Was
soll es denn machen, wenn wir es durch Dauerbeschuss in eben jenen Beständen binden und an einer anderen Lebensraumnutzung hindern?
Davon einmal ganz abgesehen, „stirbt“ der Wald nicht durch Borkenkäfer. Vielleicht haben die kleinen Schadinsekten sogar mehr und schneller zu einer Umwandlung, hin zu den gewandelten Verhältnissen angepassten, vielfältigen und stabilen, resilienten Wäldern, beigetragen, als wir es je geschafft oder gewollt hätten. Munter bleiben! AD