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Januar 2022 – Stille Silvesternacht

von | Jan 4, 2022 | Jagd-Blog

Habt auch ihr schon mal die Silvesternacht und den Beginn des neuen Jahres im wahrsten Sinne des Wortes komplett verschlafen? Nein? Bei einigen unserer freilebenden Säugetiere ist es der Normalfall. Wildtiere haben bekanntlich die unterschiedlichsten Strategien entwickelt, um dem winterlichen Nahrungsengpass sowie tiefen Temperaturen, vielleicht mit Schnee und Eis zu trotzen. Zahlreiche Arten legen Fett- oder Nahrungsdepots an, andere ziehen oder verstreichen in wärmere, mildere Gefilde und wieder andere halten eine mehr oder minder lange Winterruhe. Eine ganz besondere Form der Anpassung ist und bleibt jedoch der Winterschlaf.

Echte Winterschläfer sind in Mitteleuropa beispielsweise die Schläfer oder Bilche, die in Deutschland mit dem „wetterregelbekannten“ Siebenschläfer, dem Gartenschläfer, dem Baumschläfer und der nur etwa daumengroßen Haselmaus vertreten sind. Weitere prominente Beispiele sind der Igel und die Fledermäuse. Die einzige heimische Wildart aber, die einen echten Winterschlaf hält, ist das Murmeltier. Alpenmurmeltiere schlafen grob gefasst von Oktober bis März – unterbrochen von etwa monatlich erfolgenden Kurzpausen, in denen Exkremente auf den Losungsplätzen im Bau abgegeben werden. Doch sichert diese scheinbar optimale Überwinterungsstrategie durchaus nicht allen Murmeltieren das Überleben.

Denn die Sterblichkeit der Mankeis während des Winterschlafes ist hoch. Zwar reichen die Gänge der Winterbaue mehrere Meter unter die Erde, die Einfahrten sind verschlossen und die Schlafkessel gut ausgepolstert. Um die gut sechs Monate des alpinen Winters schadlos zu überstehen, bedarf es jedoch ausreichend großer Fettreserven. Besonders bei den Jungtieren, die nur etwa zweieinhalb bis maximal drei Monate Zeit haben, sich die notwendigen Reserven anzufressen, reicht es oftmals nicht aus.

Weiterhin ist die Mortalität abhängig von der Gruppengröße, da sich die Tiere gegenseitig wärmen. Dabei spielen die männlichen Tiere verschiedener Jahrgänge aufgrund ihrer Körpergröße eine besondere Rolle. Die geringsten Überlebenschancen haben kleine Schlafgruppen, die sich lediglich aus dem dominanten Paar und einem einzigen, häufig dem ersten Wurf rekrutieren. Es ist also durchaus nicht immer gesund und erstrebenswert, „zu schlafen wie ein Murmeltier“, denn es könnte die so oft zitierte letzte Ruhe sein …

Fossile Funde zeigen, dass die großen Nager ihren Ursprung in Nordamerika haben. Über die Beringbrücke breiteten sie sich nach Eurasien aus. Während der pleistozänen Eiszeiten waren Murmeltiere weit verbreitet. Die damaligen Kältesteppen boten ihnen optimalen Lebensraum. So kam auch das Alpenmurmeltier in weiten Teilen des europäischen Tieflandes vor. Seine damalige Verbreitung reichte in verschiedenen Unterarten von Südfrankreich bis nach Russland. Interessanterweise fehlte es seinerzeit aber in den europäischen Alpen. Denn die waren dauerhaft von einer dicken Eisschicht bedeckt. Mit dem Ende der Eiszeiten setzte jedoch ein rascher und großflächiger Lebensraumwandel ein. Geeigneter Lebensraum fand sich danach offenbar nur noch in den alpinen und montanen Regionen der Alpen. Heute lebt das Alpenmurmeltier im europäischen Alpenbogen von den Französischen Seealpen bis in die alpinen Teile Niederösterreichs. Weiterhin leben Murmeltiere in den Karpaten und der Hohen Tatra. In den Pyrenäen und im Schwarzwald finden sich Vorkommen, die auf menschliche Einbürgerungsaktionen zurückzuführen sind. In einigen wenigen Grassteppen Osteuropas wiederum lebt das seltene Steppenmurmeltier.

Die diesbezüglichen Untersuchungen Wiener Wildbiologen zeigen, dass Murmeltiere mit Wärme nur schlecht zurechtkommen und relativ schnell in Hitzestress fallen. So unterschreiten sie in den Alpen nur ausnahmsweise eine Höhenlinie von etwa 800 m ü. NN. Die weitere Verbreitung deutet ebenfalls darauf hin. Leben sämtliche Murmeltierarten doch in den gemäßigten und arktischen Breitengraden der Nordhalbkugel. Somit ist das Alpenmurmeltier quasi ein Eiszeitrelikt, dass in seinen derzeitigen „Rückzugsgebieten“ der europäischen Alpen ehedem gar nicht vorkam. Munter bleiben! AD